Wenn Deutschland international glaubwürdig sein will, müssen auch Schutzgebiete vor der eigenen Haustür geschaffen, erhalten und ausgebreitet werden

Wir beklagen zu Recht den Verlust der tropischen Regenwälder und fordern die betroffenen Länder auf, sich für deren Schutz einzusetzen, um so einen Beitrag zum Schutz von Lebensräumen, Arten und des Klimas zu leisten. Deutschland setzt sich daher weltweit für die Schaffung und Weiterentwicklung von Schutzgebieten ein. Das Schutzgebietsprogramm des Übereinkommens über die biologische Vielfalt verpflichtet alle Mitgliedsstaaten, Schutzgebietssysteme zu schaffen. Wenn Deutschland international glaubwürdig sein will, müssen auch Schutzgebiete vor der eigenen Haustür geschaffen, erhalten und ausgebreitet werden, um mit gutem Beispiel voranzugehen und internationale Glaubwürdigkeit zu erlangen. Nationalparke können mit ihren prozentual großflächig angestrebten Kernzonen maßgeblich dazu beitragen, Abkommensziele über die Staatsgrenzen hinaus in puncto Biodiversität zu erreichen. Industrienationen der westlichen Länder verfügen über die geldlichen Mittel, solche Projekte in die Realität umzusetzen und sollten sich deshalb im besonderen Maße für bessere Umweltverhältnisse einsetzen. Das Ziel im Rahmen der nationalen Biodiversitätsstrategie von 2012, bis 2020 2% Wildnis in Deutschland zu schaffen, wurde bereits stark verfehlt (aktuell befinden wir uns bei etwa 0,7%). Vor allem die lokalen Kontroversen zur Neuschaffung von Nationalparks und die lokalen Interessen von Nationalpark- Ansässigen, die bereits vor der NP-Gründung ihren Lebensunterhalt auf Grundlage einer NP-Fläche verdient haben, bremsen den Prozess aus. Einige Nationalparks sind derzeit noch Entwicklungs-Nationalparks, in denen noch nicht alle Kriterien für eine ungestörte, natürliche Entwicklung der Flächen erfüllt sind.

Von Jahr zu Jahr wächst jedoch im Rahmen des Nationalparkmanagements der prozentuale Anteil der sogenannten Naturdynamikzonen, was zu mehr Wildnis und somit auch zu mehr Biodiversität im Land führt. Gerade in Sache Klimaschutz findet zudem eine weitere Sensibilisierung der Allgemeinbevölkerung für die Dringlichkeit von Naturschutzflächen statt, was sich wiederum positiv auf die zukünftigen Zahlen auswirken kann. Nationalparks sind die einzigen Lebensräume, die „die langfristige Sicherung ungelenkter Sukzessionsabläufe bzw. die Entwicklung der Natur ohne Eingriffe des Menschen auf größeren Flächen gewährleisten“.64 In Ballungsräumen der Industrienationen schaffen sie einen Ausgleich und Gegenpol, der für viele Bewohner ein Sehnsuchtsort ist. Daneben gehen wir mit der Aufrechterhaltung dieser Naturräume unserer Pflicht nach, echte Naturräume auch für zukünftige Generationen erlebbar zu machen. Nationalparks sind Forschungs- und Lernorte, die uns zeigen, wie die Natur natürlicherweise mit zum Beispiel klimatischen Veränderungen umgeht, welche Baumarten sich im durchschnittlich wärmer werdenden Klima als standhaft erweisen, und auf welche Art und Weise sich Tier- und Pflanzengesellschaften dem Klima anpassen. Sie sind außerdem Hotspots für Biodiversität und bieten durch ihre erhöhte Strukturvielfalt mehr Nischen für Arten, die andernorts in unserer Kulturlandschaft verdrängt wurden. Auch ganze Biotoptypen, die in unserer Kulturlandschaft keinen wirtschaftlichen Nutzen tragen, kommen hier wieder vermehrt vor. Viele Tiere und Pflanzen sind von diesen Biotopen vollstens abhängig, was Nationalparks zu ihrer Lebensgrundlage macht.

Nationalparks sind Bildungsstätten für Besucher aller Bildungsschichten und Altersgruppen

Die meisten von ihnen besitzen Bildungszentren, in denen sowohl wissenschaftliche Vorträge als auch Angebote für Schulklassen und Kinder stattfinden. Das macht sie zu einem wichtigen Baustein für die naturkundliche Allgemeinbildung im Land und zu Vorzeigestätten, die das Verhältnis zwischen Mensch und Natur stärken sowie dazu anregen können, eigene Verhaltensweisen und Denkmuster zu optimieren. Auch durch ihre gesundheitlichen Benefits und ihrem Beitrag zur Luft- und Wasserverbesserung leisten Nationalparks einen positiven Beitrag für die Bevölkerung. Nicht unerwähnt soll auch die hohe Kohlenstoff- Speicherfähigkeit von naturbelassenen Biotopen, insbesondere Wäldern bleiben. Während sich in Buchenurwäldern bis zu 500 Tonnen Biomasse pro Hektar ansammeln können, beträgt der Anteil in Wirtschaftswäldern nur etwa 30-50% von dieser Masse. Je mehr Biomasse, desto mehr Kohlenstoff-Einspeicherung. Das liegt daran, dass es in Wirtschaftswäldern wenig Toleranz für sperriges Totholz gibt und zum Großteil nur junge Baumbestände stehen, die vor dem Erreichen eines Gewissen Alters bereits wieder gefällt werden. Diese jungen Bäume können nicht annähernd so viel Masse bilden.

Durch Kahlschläge in ihnen wird außerdem nachhaltig der Boden geschädigt. Durch die wissenschaftlichen, naturschutzfachlichen, ethischen und umweltpolitischen Mehrwerte spricht Einiges für den Erhalt und die Neugründung von Nationalparks. Auch die regionale Wirtschaft und der Tourismus werden durch Nationalparks in strukturschwachen Regionen angekurbelt. Die Hauptaufgabe, für möglichst ungestörte, sich selbst überlassene Abläufe bzw. Prozesse in den Nationalparks zu sorgen, dient ebenfalls der Bildung, der Forschung und dem Erholungszweck der Allgemeinheit. Damit haben sie Mehrwerte, die andere Kategorien von Schutzgebieten (Landschaftsschutzgebiete, Biosphärenreservat, Naturparks…) in Deutschland so nicht bieten können.